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DIE REPORTAGE: Clara Appelmann in den USA / Nichts geht über das deutsche Weihnachtsgebäck

Ein Jahr lang, von Sommer 2013 bis in diesen Sommer, arbeitet Clara Appelmann als Au Pair in den USA und studiert am Montgomery College/Rockville Innenarchitektur. Nach dem Abi am GaK war nämlich Luftveränderung, Tapetenwechsel angesagt: raus aus der Heimat, eine andere Welt kennen lernen, völlig neue Erfahrungen machen und feststellen, wie das Leben nach der Schule weitergehen soll. „Was will ich?“ Diese Frage stellt sich die Abiturientin und in einer anderen Welt soll die Antwort gefunden werden; in der Ferne, „wo Englisch gesprochen wird“, denn Englisch kann Clara perfekt. England ist ihr zu europäisch, nicht weit genug weg vom Hotel Mama, kommt also schon mal nicht in die engere Auswahl. Australien unterliegt bei der Entscheidung. Warum? Clara sang einst im Chorissimo, einem Chor des Kirchen-Chor St. Cäcilia Dudenhofen, und der begeistert amerikanische Touris auf einem Kreuzfahrtschiff der Viking River Cruises, das am Speyerer Ufer festgemacht hat. Das Konzert mit internationalen Songs und deutschem Liedgut reißt die Ladies and Gents zu Standing Ovations von den Sitzen. Die Bespaßung der Amerikaner ist das Schlüsselerlebnis. Alla hopp: als Au Pair und Studentin ab in die Vereinigten Staaten.

Daheim spielt ihre Weimaranerhündin Tonja Monate lang die Beleidigte, hat sich aber nachts immer wieder auf einige von Claras Klamotten gelegt, die sie einfach aus dem Schrank herausgezogen und sich zum Schlafen zurecht gelegt hatte.

Gastfamilie Walter, Pam, Sohn Charlie und Tochter Helen Matia erwartet das Mädel aus Germany in Dickerson, ein Dorf, das auf den ersten Blick aus nur einer Hand voll Häuser zu bestehen scheint. Aber, die Häuser liegen weit zerstreut auseinander und so zählt die Gemeinde immerhin knapp zweitausend Einwohner. Mal mehrere, mal wenige hundert Meter trennen die Nachbarn von einander und wer seine Post aus dem Briefkasten holen will, fährt mit dem Auto durchaus bis zu 300 Meter. Ja, mit dem Auto. Kein Einheimischer käme auf die Idee, nur einen Meter zu gehen oder sich aufs Fahrrad zu schwingen. Es gibt Kreuzungen und Einmündungen, an denen mehrere Briefkästen stehen. Die dazugehörigen Häuser sind irgendwo hinterm Berg oder weiter hinten um die Ecke, man sieht sie nicht sofort. Clara, die einen Subaru der Gastfamilie für sich alleine zur Verfügung hat: „Für den Liter Sprit habe ich umgerechnet 75 Eurocent bezahlt.“ Da wundert es nicht, dass für fast jeden Meter Wegstrecke die Motoren gestartet werden.

Neugierige Rehe

Dickerson liegt im Montgomery County im Bundesstaat Maryland - „Der wohlhabendste Staat der USA, ein Familienstaat“, sagt Clara und merkt an: „Die meisten Filme mit den typisch amerikanischen Reihenhäusern mit schönen, gepflegten Grünanlagen drumherum werden dort gedreht“. Das Haus der Matias, von Wald umgeben, steht am Rand eines Naturschutzgebietes. Am Wochenende kommen viele Touristen, ab und zu schauen morgens Rehe in die Fenster. Gastvater Walter ist „der bekannteste Tierskulpteur Amerikas“, seine Frau Pam hat unter anderem in Heidelberg Medizin studiert, daher kann sie „etwas Deutsch“.

Die Aufgaben der Betreuerin aus Speyer: die Kinder zur Schule fahren und abholen, zu ihren Freizeitangeboten und wieder nach Haus bringen und bei den Hausaufgaben unterstützen. Drei Mal wöchentlich besucht unsere Gesprächspartnerin das Montgomery College um sich der Innenarchitektur zu widmen. Zwar wird dieses Studium in Deutschland nicht anerkannt, aber das ist ihr nicht so wichtig, betont sie und fügt an: „Das Jahr hat mir viel gebracht“. Der Zufall: Bei Familie Matia liegt eines Tages ein Flyer der Viking River Cruises im Briefkasten mit Bilder von Speyer und so kann Clara den Kindern zeigen, wie attraktiv die Domstadt in Palatinate/Germany ist.

Zwei Mal tourt die Zwanzigjährige nach New York City, sie besucht Philadelphia und Boston und ist fast jedes Wochenende in Washington DC - „...eine wunderschöne Stadt, ganz viel Weiß mit vielen Museen“. Clara: „Die Museumsbesuche sind hinsichtlich der Bildungsförderung alle kostenlos. DC ist da aber eine Ausnahme“.

Eiskalte USA

Ein eiskaltes Erlebnis ist ein selten harter Wintereinbruch, der den USA ziemlich zu schaffen machte. „Bis 20 Grad minus und aufgrund eines Stromausfalls Minusgrade im Haus“, erinnert sich die Studentin. - „Wir haben in Schlafsäcken am Feuer übernachtet. Alle zwei Stunden musste dafür gesorgt werden, dass das Feuer nicht ausging. Du kannst Dir vorstellen, wie sich das anfühlte, schließlich ist das Haus der Familie Matia ein Holzhaus. Es lagen bis zu 60 Zentimeter Schnee, ich habe mein Auto sogar einmal etwa eine Stunde lang ausgraben müssen“.

Ihre Mutter schickt ein Paket mit wärmenden Kleidern und Weihnachtsgebäck: Lebkuchen, Pfeffernüsse, Christstollen, Zimtsterne, Marzipan, Dominosteine, lauter gute Sachen – „Lebkuchen, Gebäck, wie wir das kennen, nein, das gibt es in den USA nicht“. Da haben Walter, Pam und die Kinder ganz schön geguckt! Nun denn, Weihnachten hat in Amerika auch nicht den Stellenwert wie in Deutschland. Thanksgiving, das in etwa unserem Erntedank entspricht, ist das größte Fest in den USA, ein Familienfest, ein freier Tag, an dem Truthähne verputzt werden. „Weihnachten ist eher ein Lichterfest und ist in Amerika nur ein Tag, nicht wie bei uns Heiligabend und zwei Feiertage“, erklärt Clara.

Die Heimreise, der Flug nach Frankfurt/Main, gestaltet sich so: BWI (Baltimore-Washington International Airport), um 21:15 Uhr hebt die Maschine ab. Clara: „Um 24 Uhr gab es Abendessen, um ein Uhr ging das Licht aus. Um 3:45 Uhr Ortszeit/BWI wurden wir wieder aus dem Schlaf gerissen, Frühstück. Es ist hell. 3:45 Uhr am BWI, hier 9:45 Uhr, Frankfurt/Airport. 5:20 Uhr BWI/11:20 Uhr FRA soll die Maschine landen, landet aber letztendlich erst eine halbe Stunde später, weil die Fluglotsen Mist bauen und ein Hubschrauber, der direkt unter der Maschine zum Landen ansetzt, den Piloten zwingt, nochmal hochzuziehen und eine Schleife über dem Flughafen zu fliegen. Schlafen während des Fluges? Nicht wirklich!“

Nachgefragt: „Ist Dir in Amerika klar geworden, was Du in Zukunft beruflich willst?“ „Ich werde in der eingeschlagenen Richtung bleiben und Architektur, eventuell auch Möbeldesign studieren“, antwortet Clara.

Mit Clara Appelmann sprach Bernhard Bumb

Bild/bb: Tonja & Clara am Dom zu Speyer

 

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