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- Veröffentlicht am Samstag, 09. November 2019 05:31
Mauerfall vor 30 Jahren
Die unsinnige Unterscheidung von Wessis und Ossis endgültig überwinden
von Bernhard Vogel
Heute, Samstag, 9. November jährt sich zum 30. Mal der denkwürdigste Tag in der jüngsten Geschichte unseres Vaterlandes. Die 1961 quer durch Berlin aufgerichtete Mauer, die nach dem Willen Erich Honeckers hundert Jahre Bestand haben sollte, fiel in sich zusammen.
Hunderttausende strömten in Berlin und von Mecklenburg-Vorpommern bis Thüringen über die Grenze. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen. Wer älter als 45 Jahre ist, weiß noch, wo er sich am 9. November 1989 befand und wie ihn die Nachricht erreichte.
Nach dreißig Jahren haben wir, wie Gauck es treffend gesagt hat, allen Grund zu wechselseitiger Dankbarkeit. Wir Westdeutschen danken den Ostdeutschen, dass ihnen gelang, was niemand uns Deutschen zugetraut hatte: Eine friedliche Revolution.
Die Ostdeutschen danken den Westdeutschen für ungewöhnliche personelle und materielle Hilfe bei der Überwindung der Folgen der jahrzehntelangen sozialistischen Misswirtschaft.
Und wir haben Anlass, auch in Zukunft die Hände nicht in den Schoß zu legen. Vieles ist gelungen, aber vieles bleibt auch noch zu tun, um die unsinnige Unterscheidung von Wessis und Ossis endgültig zu überwinden. -Bernhard Vogel-
Prof. Dr. Bernhard Vogel war Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und von Thüringen, er ist Ehrenmitglied der CDU Speyer und Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, er wohnt in Speyer-
Seit 1989 wieder offen: Brandenburger Tor in Berlin. - Bild © Bernhard Bumb
Werte Leser,
ich habe alle Vorsitzenden der im Speyerer Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergruppen um eine Stellungnahme, einen Text zu „30 Jahre Mauerfall“ gebeten. Reagiert haben nur Benjamin Haupt (AfD) und Nicole Höchst (AfD). Ich lasse das unkommentiert. -Bernhard Bumb, Herausgeber Speyer-Report-
Gedanken zur Wende
von Nicole Höchst
Professor Dr. Rainer Mausfeld 2019 in der Dresdener Kreuzkirche: "Die Wiedererlangung der Einheit Deutschlands durch eine friedliche Revolution, die keine war, war die feindliche Übernahme auf Wunsch der Besiegten."
1989 gründeten sich viele Organisationen und Parteien, die eine reformierte Demokratie wollten und hofften, dass dies auch auf den Westen überschwappt. Diese Hoffnung war so illusionär wie utopistisch unreal. Die Stimmen verstummten schneller, als die Treuhand die ostdeutschen Firmen, also die potentielle Konkurrenz, zerstörte Belegschaften, die ihre Firmen gemeinsam aufkaufen wollten, um diese zu erhalten und zu modernisieren, wären Ausdruck von Gemeinsamkeit, Engagement und (für West wie Ost) ein neues und für die vorhandenen Strukturen ein ernstzunehmend konkurrierendes Geschäftsmodell gewesen. Wenn dies Schule gemacht hätte, wäre ein wesentliches Element der Herrschaft des Siegers zugrunde gegangen. Ich glaube nicht, dass allen Beteiligten die Tragweite damals so klar war; den Beauftragten der Treuhand für Aufkaufen und Plattmachen aber schon. Daher kam dieses Modell so gut wie nie zum Tragen.
Flucht in den Westen
Achtzig Prozent der ostdeutschen Wirtschaft kamen in die Hände Westdeutscher, nur sechs Prozent in die Hände der Ostdeutschen. Fünf Millionen Menschen verloren bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 17 Millionen ihre Arbeit und haben sogenannte geknickte Erwerbskarrieren und viele werden in den nächsten Jahren zu Armutsrentnern. Es begann die Flucht in den Westen. Millionen verließen ihre Heimat und ihre Familien, um Arbeit zu finden. Man lernte, dass Korruption und Betrug ein Grundbestandteil des kapitalistischen Systems ist.
Um die Verlierer der Einheit zu identifizieren, muss man also tiefer unter die Oberfläche der heute zelebrierten Erinnerungskultur gehen. Die Verlierer befinden sich auf beiden Seiten des stählernen Vorhanges.
Spaltung als Herrschaftsinstrument war damals gar nicht notwendig. Sie entstand automatisch. Ob unerwünschte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, Mitbewerber auf dem Wohnungsmarkt oder Soliabgabe, im Westen kam bei vielen Menschen das Gefühl auf, dass die Wende für sie keine Vorteile bringen würde und im Osten bekam man eine Ahnung davon, dass nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen war. Man hatte im Osten gehofft, in die Heimat zurückzukommen. Das war durch Wunschdenken wohl etwas zu verklärt.
Als Hamster im Rad
Man wollte in eine freie Welt mit freien Entfaltungsmöglichkeiten und fand sich erneut als Hamster im Rad wieder. Doch stattdessen landete man in einem Land voller Schuldkomplexe, in einem Land wo ein sehr hoher Anteil der Menschen Geld, Konsum, Oberflächlichkeit und Egoismus wie Götter hofieren. Wirklichen Nutzen von der Wiedervereinigung hatten daher nur die größeren Unternehmen.
Man kann nicht alles mit Geld regeln. Wer das Prinzip "leben und leben lassen" zu stark ignoriert und dabei die Menschen selbst aus dem Auge verliert, wird irgendwann gegen Wände laufen.
Wir verlieren seit ein paar Jahren immer mehr die Fähigkeit miteinander zu reden, zu streiten und uns am Ende zu einigen oder einem demokratischen Beschluss zu unterwerfen. Halbwissen gepaart mit staatlich geförderten Denkverboten ermöglichen künstlich geschürte Angstkampagnen, mit denen man Menschen steuert. Emotionen werden missbraucht. Menschen statt Ideen werden angegriffen.
Viele Ostdeutsche haben durch das eigene Erleben ein besseres Gespür für negative Entwicklungen. Sie müssen nicht um- oder neudenken. Sie haben den Luxus der eigenen Erinnerung. Sie wollen keine erneute Bevormundung. Sie wollen keine Meinungs- und Denkverbote und deswegen äußern sie klar und deutlich, dass sie selbst besser wissen, was für sie und das Land gut ist und was nicht.
Zeit zur Zurückkehr
Daher war der Slogan "Vollende die Wende" im thüringischen Wahlkampf nicht nur eine stumpfe Wahlkampfphrase. Es ist vielmehr ein frommer Wunsch.
Die negative Entwicklung hin zu einer, wie auch immer gearteten, neuen Diktatur ist nicht neu. Eine Bärbel Bohley vom Neuen Forum erkannte dies bereits Anfang der Neunziger und verließ nach der von ihr selbst mitinitiierten Wende das Land.
Es wird also Zeit zur Zurückkehr zu einem wahren demokratischen, freiheitlichen, konservativen und sozialen Kurs, der auf lange Zeit angelegt ist. -Nicole Höchst-
Anmerkung Speyer-Report: Nicole Höchst wohnt in Speyer, sie ist für den Wahlkreis 201/Kreuznach im Deutschen Bundestag und gehört dem Speyerer Stadtrat an.
Glückstag für das deutsche Volk
von Benjamin Haupt
Die friedliche Revulotion in der DDR erreichte am 9.November 1989 ihren emotionalen Höhepunkt. Der Fall der Mauer läutete das Ende des SED-Unrechtsstaates ein. Auf "Wir sind das Volk" (Freiheit) folgte auf den Massendemonstrationen schon bald der Ruf "Wir sind ein Volk" (Einheit). Der 9.November ist ein besonderer Glückstag für das deutsche Volk. Er reiht sich ein in herausragende, die identitätsstiftenden historischen Daten wie das Wartburgfest am 18.Oktober 1817, das Hambacher Fest im Mai/Juni 1832, die März-Revolution 1848 oder den 17.Juni 1953.
Allerdings strahlt der 9.November 1989 weit über unser Vaterland aus. Denn er ist auch ein Symbol für die Überwindung der Spaltung Europas. Der 9.November 1989 ist der wirkliche Tag der Befreiung für die Völker und Menschen ganz Europas. Von 1989 an aber – und darüber können wir uns von Herzen freuen – fegte der Geist der Freiheit die kommunistischen Regime weg und Europa wurde zumindest im östlichen Teil langsam wirklich frei.
Die im heutigen Kampf um die Deutungshoheit aufkommende Ausgrenzung von Andersdenkenden im Alltag und politischen Geschehen erinnert an damalige dunkle Zeiten und spiegelt sich durchaus auch heute in der Politik wider und sollte uns eine Warnung sein. Ja zur Freiheit und Souveränität der Völker in Europa anstelle einer EU DDR 2.0 -Benjamin Haupt-
Benjamin Haupt ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Stadtrat Speyer und 1.Vorsitzender im AfD Kreisverband Speyer