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- Veröffentlicht am Montag, 24. April 2023 15:17
Der Pfarrsaal von St. Otto im Jahr 1970…
...im Jahr 2021...
...und die Situation seines Standortes nach dem Abriss - Bild vom 24.04.2023. - Bilder © Bernhard Bumb, Familie Weiter.
Speyer. - Das Pfarrzentrum St. Otto ist Geschichte (Teil 1)
Erinnerungen an die Jugendzeit / Die GEWO baut auf dem Gelände 42 Wohnungen mit Tiefgaragen und mit einem Gemeindesaal
Speyer. - Der Pfarrsaal von Sankt Otto, offiziell: Pfarr- und Jugendzentrum, ist nicht mehr. Das Gebäude, für sehr viele Bürger in Speyer-West einst ein beliebter, begehrter Treffpunkt, ist abgerissen. An seiner Stelle baut die GEWO Wohnen GmbH drei Gebäude mit 42 zum Teil öffentlich geförderten Wohnungen. Der Abriss des Pfarrsaals weckt Erinnerungen an die vielen Aktivitäten in dessen Mauern.
Im Pfarrsaal fanden solange Gottesdienste und andere liturgische Termine statt, bis die Kirche Sankt Otto von Bischof Isidor Markus Emanuel feierlich geweiht wurde. O-Ton des Bischofs beim gemütlichen Beisammensein: „Sankt Beton“. Kirche und Pfarrzentrum entstanden in den Jahren 1963 bis 1965.
Stimmen ehemaliger Ministranten und Chor-Mitglieder
Tomas Weiter: „Das Pfarrzentrum war früher benutzbar als das Kirchengebäude. So wurde in den Jahren 1964 und 1965 der Sonntagsgottesdienst, der früher im Kindergarten St. Elisabeth (Langensteinweg) stattgefunden hat, im Pfarrsaal gefeiert. 1965 gingen die Kinder im Pfarrsaal zu Ersten Kommunion. Kirchweih war erst im Frühsommer. Wenn ich mich richtig erinnere, waren als Kirchenbänke die ausrangierten aus dem Dom aufgestellt, die dann ein paar Monate später auch am Anfang in der Kirche zum Einsatz kamen.
Legendär waren über viele Jahre die Faschingstänze im Pfarrsaal, bis zu drei pro Session. Die Tanzschule Kaiser führte Tanzkurse in Konkurrenz zum „Thiele“ und wöchentliche Tanzpartys durch. Auch für runde Geburtstage, Polterabende, Ehemaligentreffen und andere private Veranstaltungen musste der Pfarrsaal herhalten.
Dem Kindergarten diente der Saal als Turnraum und für Lesenächte mit Übernachtungen. Das Ostzimmer war jahrzehntelang der stark frequentierte Jugendtreff. Anfangs war es auch Proben-Raum für den Knabenchor (später Jugendkantorei) und Raum für die Gruppenstunden.
Im Mittelzimmer war die Bibliothek untergebracht. In den ersten Jahren gab es noch das Westzimmer als Besprechungs- und Konferenzraum. Es wurde später durch Herausnehmen der festen Schrankwand Teil des Pfarrsaals.
Die Kegelbahn lag im Keller. Sie fand regen Zuspruch. Zwischenzeitlich war im Abstellraum neben der Kegelbahn das Notenarchiv des Chors untergebracht. Auch dieser Kellerraum wurde zeitweise von der Jugend genutzt.
Auf dem Außengelände wurde einmal im Jahr zum gemütlichen Teil des Kirchweihfests eingeladen, ansonsten diente es als Spielwiese für den Kindergarten.“
Opernsänger Mario Klein (1982 bis 1991 Mitglied im Kirchen-Chor): „Meine frühesten Erinnerungen an den Pfarrsaal reichen in die späten 70er Jahre zurück, als ich alljährlich mit meinen Eltern zu der dortigen Kinderfastnachtsveranstaltung ging, das war möglicherweise das erste Mal, dass ich Pommes frites mit Ketchup gegessen habe! Das letzte Mal war ich dort am Tage nach meiner kirchlichen Hochzeit (2014), wir gaben dort ein Frühstücks-Brunch für unsere Gäste.
Dazwischen liegen unendlich viele Geburtstagsfeiern, musikalische Veranstaltungen und Beisammensein nach Gottesdiensten an Feiertagen und nach diversen musikalischen Auftritten; ich hatte dort auch meine ersten schauspielerischen und gesanglichen Auftritte. Es hat sich dort wirklich lebendiges Gemeindeleben im besten Sinn abgespielt.
Bernhard Bumb: „Anfänglich waren im Pfarrsaal wohl zu viele Leute in den Gottesdiensten, die vor der Einweihung des Kirchengebäudes im Pfarrsaal stattgefunden haben. Die Luft war irgendwann schlecht geworden. Im Frühjahr und bis in den Spätsommer konnte man die Fenster öffnen, aber an kühlen und kalten Sonntagen blieben sie zu. Wenn dann noch das Weihrauchfass geschwenkt wurde war ab und zu jemand umgekippt.
Mit Ausnahme der Adventszeit, der Fastenzeit und der Sommerferien rockten junge Burschen und Mädels im Pfarrsaal ab: die Partys der Pfarrjugend waren sehr beliebt. Zugelassen waren Jugendliche ab 14 Jahren. Die Partys gingen von 18 bis 22 Uhr.
Im Ostzimmer, quasi ein Dauertreff der Jugend, war der Tischfußball immer in Aktion und aus den Lautsprechern dröhnten die neuesten Hits. Nicht selten lief die Schallplatte oder ein Tonband mit ‚In A Gadda Da Vida‘ der Band Iron Butterfly rauf und runter – selbstverständlich die 19-Minuten-Version mit einem der weltbesten Schlagzeug-Soli.
Für Schüler, die nicht unbedingt gute Noten geschrieben haben, wurde im Pfarrsaal Nachhilfe angeboten. Wie ich mehrfach gehört habe, konnte Hildegard Jedlitschka den Schülern tatsächlich helfen.
Früher gab‘s noch jede Menge Schnee in Speyer. Da fanden vorm Pfarrsaal viele Schneeballschlachten statt. Meistens Jungs gegen Mädchen. So manches Mädel wurde festgehalten und mit Schnee ‚eingeseift‘. Die Mädchen fanden das nicht so toll.
Als im Keller die Kegelbahn eröffnet wurde, war der Andrang groß, denn alle Anwesenden durften zur Feier des Tages kegeln. Als ich an die Reihe kam und meine erste Kugel ins Rollen brachte geschah ein Wunder: Ich habe das erste Mal gekegelt und mit dem ersten Wurf gelang mir ‚Alle Neune‘.
Wer‘s war weiß ich nicht, aber einige Typen - Messdiener, Chorsänger? - haben einen Kleinwagen (500er Fiat oder ein Goggomobil?) die Treppe zum Kirchenvorplatz hinaufgehoben und weil die Handbremse gezogen war schrittweise mit Abstellen weitergetragen und schließlich zwischen Pfarrsaal und Haupteingang der Kirche hingestellt. Man könnte ein dickes Buch über den Pfarrsaal schreiben, über das, was in und um ihn herum abging“.
Da war das Pfarrzentrum.
Thomas Weber: Natürlich habe ich schon noch ganz gute Erinnerungen an eine prägende Zeit in diesem Gebäude. Evi war einige Jahre Erzieherin im Kindergarten. Jeden Juli stand die Brezelfestparty auf dem Programm für die Jugend. Nach dem Gottesdienst sonntags wurde entweder gekegelt oder im Ostzimmer Tischfussball gespielt bis die Hände brannten. Für dieses Zimmer wurde extra ein Tonbandgerät gekauft, damit auch die richtige Musik lief.
Ich war mit 15/16 Jahren (ca. 1969) verantwortlich für die "Gastronomie" der Kegelbahn. Das hieß, jeden Tag Getränke nachfüllen, Gläser spülen und die Abrechnung der jeweiligen Kegelclubs machen. Dafür gab es dann jede Woche DM 10 von Pfarrer Härtl. Mit ihm kreierte ich im Keller manches schlimme Mixgetränk für die nächste Party. Anlässe dafür gab es eigentlich immer. So, das waren nur einige von vielen Erinnerungen an diese Zeit. - Thomas und Evi
Wolfgang Weiter: „Meine frühesten Erinnerungen sind noch unsere „Drachenwiesen“, wo plötzlich abgesperrt wurde und Bautrupps anrückten. Mit kindlicher Neugierde beobachteten wir das Geschehen. Das Pfarrzentrum wurde vor dem Kirchengebäude St. Otto fertig gestellt, so dass die Gemeindegottesdienste von dem ebenfalls verkauften Kindergarten St. Elisabeth am Langensteinweg in das nigelnagelneue Pfarrzentrum von St. Otto verlegt wurden.
Der Altar war ein einfacher Holzaltar und anstatt einer Orgel gab es nur ein mäßig gut gestimmtes altes Harmonium zur Begleitung des Gemeindegesangs. Die Chorproben der Chorknaben St. Otto wurden aus dem Kellerraum in der Friedrich-Ebert-Straße 66 (Wohnhaus von Kurat Klaus Härtl und provisorischen Pfarrhaus von St. Otto) in den neuen Pfarrsaal verlegt.
Viele Stunden und Tage haben wir mit dem Ausbau und der Verschönerung des Pfarrzentrums verbracht. Beispielsweise haben wir in der Kegelbahn die Fußböden und das Getränkelager ausgebaut. Besonders unangenehm in Erinnerung ist mir der Abend, an welchem ich mit einem Boschhammer mehr als 50 Bohrungen in der Decke der Bücherei für die Aufhängung der Holzdecke eingebracht habe. Einen solchen Muskelkater wie damals am nächsten Tag hatte ich selten – höchstens noch jeweils nach dem Zeltaufbau für die Kirchweihfeste.
Auch im Jugendzimmer (Ostzimmer) waren wir an mehreren Umgestaltungen aktiv beteiligt. Immer wieder sonntags und nach den Chorproben am Dienstag- und Donnerstagabend, haben wir unzählig viele Stunden im Ostzimmer mit „Kurbeln“ (Tischfußball) verbracht. Ebenso sind mir die Tanzstunden, die Partys und Kaiserpartys und natürlich die Faschings- und Kirchweihveranstaltungen in guter Erinnerung geblieben. Auch dafür haben wir unzählige Stunden für die Vorbereitung, Bedienung und das anschließende Putzen aufgewendet.
Weitere wichtige „Veranstaltungen“ sind, in meiner Erinnerung, die „Ehemaligentreffen“ und die Geburtstage von Pfarrer Härtl und Chorleiterin Sonja Stemmer, die wir gemeinsam mit vielen Ehemaligen im Pfarrsaal gefeiert haben“.
rechts: Taufkapelle.
Gabi Radenberg: „Es tut mir schon sehr leid, dass das Pfarrheim abgerissen wird. Es hängen doch schöne Erinnerungen daran. Ich war im Chor und später bei den Messdienern. Nach dem Gottesdienst waren wir gerne noch im Hof und haben uns unterhalten. Wir konnten uns in der Freizeit zum Kegeln oder zum Tischfußball treffen, es war eine schöne Gemeinschaft. Auch ein Tanzkurs wurde uns geboten. Auf die Partys haben wir uns zur damaligen Zeit besonders gefreut.“
Das ehemalige Pfarrhaus mit Pfarrbüro und Pfarrerwohnung.
Judith Best-Mayer: „In den 60er und 70er Jahre war St. Otto eine lebendige und aufstrebende Gemeinde, in der Pfarrer Härtl besonders der Jugend viel Platz einräumte. So war auch ich einige Jahre als Kirchenhelferin aktiv. Zusammen mit anderen Jugendlichen diente ich in Gottesdiensten. Direkt neben der Kirche steht das Pfarrzentrum, von dem wir regen Gebrauch machten. Zweimal pro Woche gehörte die Kegelbahn uns.
Wir hatten einen Gruppenraum, in dem wir uns treffen und feiern durften, und auch der große Saal durfte von uns uns für Parties benutzt werden. In diesem Saal fand sogar unter der Leitung der Tanzschule Thiele unsere Tanzstunde statt. Hier gab es auch die Faschingsbälle für Jung und Alt. Später kam ich gerne zu den Weihnachtsbasaren, an deren Bestückung und Durchführung meine Mutter, Beate Best, großen Anteil hatte.“
Teil 2 und Teil 3 (Schluss) folgen. - Bernhard Bumb, ehemaliger Ministrant in St. Otto