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Altersarmut wird durch die Nullzinsen zunehmend zum Problem“

Speyer, 13.09.2016. Interview mit Achim Seiler, Leiter Private Banking und Generalbevollmächtigter bei der Volksbank Kur- und Rheinpfalz, zu den Folgen der anhaltenden Nullzinsen für die Altersvorsorge der Deutschen

Herr Seiler, die mittlerweile schon mehrere Jahre andauernde Niedrigzinsphase hat auch auf den Konten zahlreicher Sparer ihre Spuren hinterlassen. Droht künftig vielen Deutschen die Altersarmut?

Altersarmut wird in Deutschland durch die Nullzinsen zunehmend zum Problem. Die Zahlen sind absolut schockierend: Einer aktuellen Studie zufolge hat die Altersvorsorge der Deutschen seit dem Jahr 2011 rund 260 Milliarden Euro an Wert verloren. Klassische Anlageformen wie der Banksparplan oder der Bausparvertrag sind an der Nullzinslinie angekommen. Zusammen mit einer positiven Teuerungsrate ergibt sich so eine reale Negativrendite. Rentner mit einem geringen oder durchschnittlichen Pensionsanspruch bekommen diese Entwicklung schmerzhaft zu spüren, denn parallel zu den ausbleibenden Zinserträgen steigen ja beispielsweise die Mieten kräftig an. Erschwerend kommt hinzu, dass ab dem Jahr 2040 die Rente voll steuerpflichtig sein wird. Für künftige Rentnergenerationen wird es damit immer schwerer, ihren Lebensstandard zu halten.

Bereits im Jahr 2013 gab in einer Umfrage rund die Hälfte der befragten Berufstätigen an, ihre persönliche Altersvorsorge wegen der Niedrigzinsen nicht weiter ausbauen zu wollen. Ist denn Nichtstun im Moment auch eine Lösung?

Mit Sicherheit nicht – es sei denn, Sie wollen im Alter auf die Grundsicherung zurückfallen oder Ihr Schicksal in die Hände der Zentralbank legen. Vielmehr das Gegenteil ist richtig: Die Menschen müssen sich heute viel differenzierter mit dem Thema Altersvorsorge auseinandersetzen als früher, weil die bisherigen Rezepte schlicht nicht mehr greifen. Die EZB-Zinspolitik hat das Vorsorgeproblem der Deutschen maximal zugespitzt – und für dieses Problem gibt es nur eine Lösung: Die langfristige Wertpapieranlage mit einer Aktienquote von 50 % und mehr, insbesondere dann, wenn man seine Altersvorsorge nicht auf dem Kauf einer Wohnimmobilie aufbauen kann.

Niedrigzinsen sind längst zum Normalzustand geworden. Nun hat die EZB in ihrer letzten Ratssitzung am vergangenen Donnerstag beschlossen, den Zinssatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Notenbankgeld bei 0,0 % und den Einlagezins bei -0,4 % zu belassen. Befinden wir uns am Anfang einer Nullzinsära?

Mit dem aktuellen Zinsniveau werden sich die Privatanleger in den nächsten Jahren abfinden müssen. Auch wenn die Zinsentwicklung mittlerweile an ihrem Tiefpunkt angekommen sein dürfte, bedeutet dies nicht, dass wir in absehbarer Zeit wieder ein Niveau von 2-3 % erleben werden – allein schon deshalb nicht, weil die Staatsschuldenquote in vielen europäischen Ländern dies gar nicht zulässt. Ziel der EZB-Zinspolitik ist es, die Staatsverschuldung im Euroraum wegzuinflationieren. Bevor die Zinsen wieder steigen können, müssen deswegen erst einmal eine Inflationsrate von etwa zwei Prozent und ein tragfähiges Wirtschaftswachstum ipm Euroraum erreicht werden. Wie lange dies dauern kann, macht das Beispiel Japans deutlich: Dort ist das Niedrigzinsumfeld bereits 20 Jahre alt – und damit volljährig. -profitext.com-

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