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Untersuchung der Bleitafel aus dem Grab der Kaiserin Gisela

Präsentation der Forschungsergebnisse / Die Bedeutung der Bleiplatte der Kaiserin Gisela

Kaiserin Gisela starb am 15. Februar 1043 in Goslar, ihr Leichnam wurde nach Speyer überführt und am 11. März an der Seite ihres bereits 1039 verstorbenen Gemahls Konrad II. beigesetzt.

   Als im Jahr 1900 die Königs- und Kaisergräber im Speyerer Dom geöffnet wurden, fanden sich im Grab Giselas unter anderem die aus Kupfer gefertigte Grabkrone und eine bleierne Inschriftentafel, eine sogenannte Grabauthentik. Diese Bleiplatte trägt eine insgesamt 14-zeilige Inschrift, von der aber nur die ersten drei Zeilen und der Beginn der vierten Zeile deutlich eingraviert sind.

   Der sich anschließende Text wurde lediglich in einer Art Vorzeichnung eingeritzt und kann heute mit bloßem Auge kaum noch erkannt werden. Dem Ausgräber Hermann Grauert war es nach eigenen Angaben jedoch noch möglich, den Text zu entziffern. Laut seiner Lesung haben an der Beisetzung der Kaiserin nicht nur ihr Sohn Heinrich III., sondern zahlreiche Bischöfe und Erzbischöfe teilgenommen.

   Sollte die Lesart Grauerts richtig sein, würde die Vermutung nahe liegen, dass sich die Anwesenheit der geistlichen Würdenträger in Speyer nicht auf die Bestattung Giselas bezog, sondern auf eine Teilweihe des Doms. Um Gewissheit über den Text zu erlangen, wurde die Tafel im Sommer diesen Jahren im Historischen Museum der Pfalz mit einem Streiflichtscanner untersucht.

   Der Scanner ist in der Lage, selbst kleinste Unebenheiten, die für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar sind, zu erkennen und darzustellen, so dass Inschriften, die mittlerweile verloren scheinen, rekonstruiert werden können. Den Anstoß zu dieser Untersuchung gab Matthias Untermann, Professor für Mittelalterliche Kunstgeschichte am Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg.

   Zusammen mit Dr. Lenelotte Möller, Präsidentin der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, ist er verantwortlich für die wissenschaftliche Einordnung des durch die Untersuchung lesbar gewordenen Textes der Bleiplatte. Durchgeführt wurde der Scan unter der Leitung von Dr. Susanne Krömker vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg.

   Eigentümer der Bleiplatte sowie aller Funde aus den Kaisergräbern ist das Bistum Speyer. Beherbergt sind die Funde aus dem Speyerer Dom im Historischen Museum der Pfalz. Weitere Informationen unter www.museum.speyer.de

 

Die Inschrift

Die Inschrift auf der Bleiplatte von Kaiserin Gisela lautet: ANNO. DOM(INICAE) INCARN(ATIONIS) D.CCCC.XCVIIII.III.IDVS NOV(EMBRIS) FELICIT(ER) NATA GISILA.IMPERATRIX / CVONRADI IMPERATORIS CONIVX. MAT(ER) PIISSIMI REGIS HENRICI.TERCII. IN IMPERIO CVM / VIRO SVO XIIII ANNIS MENSIBVS VIIII DIEBVS XVII VIXIT IN VIDVITATE AVT III ANNIS MENSI […] „Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 999, am11. November, ist die Kaiseri Gisela glücklich geboren worden, die Gattin Kaiser Konrads, die Mutter des sehr frommen Königs Heinrich III. Sie hat mit ihrem Mann in der Herrschaft vierzehn Jahre, neun Monate, 17 Tage gelebt, im Witwenstand aber drei Jahre [...]“ Der sich dann anschließende Text, der lediglich vorgeritzt wurde und mit Hilfe des Streiflichtscanners in diesem Sommer entziffert werden konnte, heißt: ANNIS MENSIbus VIII diebus X domino serviens ex huius vite laboribus anno dominicae incarnat MXLIII indictione XI kal. XV. mart felicius ad dominum migravit v.enim idus martias sepulta ab episcopo Sigebodone Spirensi in eadem civitate presente filio suo Henrico asstantibus (sic) et cooperantibus archiepiscopo Bartone Maguntino et suis suffraganeis Hazechone Wormacensi. Wilhelmo Strazburgensi. Eppone Constanciensi. Burchardo Halberstadensi. Ruodolfo Baderbrunnensi. Dietmaro Cu[riensi]. [Siu]deger Babenberg[ensi]. Gebehardo Aistetensi. Desig[atorius?] […] H[?] […] Hufredo Magdenburgensi. Heri[anno] [Colon.?] […] [Gebehar]d Radesponensi. Frider[ico Gebensi?] […]fo ses is. „[…] acht Monate und zehn Tage; der Herr dieed. Aus der Mühsal dieses Lebens ist sie im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1043, in der 11. Indiktion am 15. Februar selig zum Herrn eingegangen und am 11. März begraben worden von Bischof Sigibodo von Speyer in dieser Stadt, in Gegenwart ihres Sohnes Heinrich, in Anwesenheit und unter Mitwirkung des Erzbischofs Bardo von Mainz und seiner Suffraganbischöfe Azecho von Worms, Wilhelm von Straßburg, Eberhard von Konstanz, Burchard von Halberstadt, Rotho von Paderborn, Thietmar von Chur, Suidger von Bamberg, Gebhard von Eichstätt sowie der mit unterzeichnenden Bischöfe […] [von Hildesheim?], [Gebhar]d III. von Regensburg, Fried[rich von Genf?] Durch den Streiflichtscan konnte nun die Lesung Grauerts in allen wichtigen Punkten bestätigt werden. Dr. Lenelotte Möller machte aus epigraphischer Sicht eine weitere, unerwartete Entdeckung: Der sorgfältig gravierte Teil der Inschrift weist andere Buchstabenformen auf, als der nur flüchtig vorgeritzte. Hier waren offensichtlich zwei verschiedene Hände am Werk.

 

Wichtiges Dokument der Domgeschichte

   Die Bleitafel, die Kaiserin Gisela bei ihrer Bestattung 1043 mit ins Grab gegeben und im Jahr 1900 wiederaufgefunden wurde, gehört zu den wichtigen, aber noch wenig bekannten Dokumenten zur Geschichte des Speyerer Doms.

   Die dort verzeichneten Informationen waren der Geschichtsforschung bis 1900 gar nicht bekannt und sind auch danach nur zum Teil genauer diskutiert worden. Grund dafür ist die Tatsache, dass vor der Beisetzung nur der Anfang des Textes in größter Eile fertig graviert wurde und der Rest lediglich sorgfältig vorgeritzt ist. 1900 flüchtig abgeschrieben, ist der geritzte Text durch die Korrosion seit langem praktisch unleserlich.

   In Vorbereitung des „Pfälzischen Klosterlexikons“ (Bd. 4) haben wir die Quellen zum Dombau neu überprüft. Für die Baugeschichte zentral wäre die auf dieser Bleitafel enthaltene Information, dass bei der Beisetzung der Kaiserin Gisela im Speyerer Dom am 11. März 1043 mindestens drei Erzbischöfe sowie deutlich mehr als zwölf Bischöfe aus allen Teilen des deutschen Reichs anwesend waren.

   Einladung und Anreise einer so großen Zahl höchster geistlicher Würdenträger erforderten auch im Mittelalter viel längerer Vorbereitungszeit, als zwischen Giselas Tod am 15. Februar und dem 11. März verfügbar war. Überdies ist eine Teilnahme so zahlreicher Würdenträger – auch aus diesem Grund – bei keiner anderen Beisetzung eines Königs oder einer Königin im Mittelalter nachzuweisen.

   Anlass für die Anwesenheit dieser ungewöhnlich zahlreichen Erzbischöfe und Bischöfe in Speyer kann eigentlich nur die schon länger geplante, feierliche Weihe der damals fertiggestellten Ostteile der im Bau befindlichen Domkirche gewesen sein, in denen nun endlich die Liturgie für den 1039 auf der Baustelle beigesetzten Kaiser Konrad II. gefeiert werden konnte.

   Die jüngere Geschichtsforschung hat eine Weihe z. B. 1041 vermutet, ohne die Bleitafel als zeitgenössische Quelle für eine Bischofsversammlung 1043 zu beachten. Da der 11. März ein Freitag war, dürfte die Weihe am folgenden Sonntag, dem 13. März 1043 stattgefunden haben. Damit wäre ein wichtiges, festes Datum für die Geschichte des Speyerer Doms neu gewonnen.

   Vor diesem Hintergrund erschien es notwendig, den 1900 noch lesbaren Inhalt mit modernen Methoden möglichst wieder sichtbar zu machen und zu überprüfen. Dafür haben wir eine völlig berührungsfreie Dokumentation der Bleitafel mit Hilfe eines hochauflösenden Streifenlichtscanners angeregt. Die 1901 publizierte Lesung der Inschrift hat sich dabei im Wesentlichen bestätigt und sichert mithin die neuen baugeschichtlichen Überlegungen.

 

Bleitafel der Kaiserin Gisela

   Der Anfang des Textes auf der Bleitafel von 1043 ist fertig graviert worden und gut lesbar, der Rest wurde nur sorgfältig vorgeritzt. Seit der Öffnung der Grablege der Kaiserin Gisela vor mehr als hundert Jahren ist die Tafel der Atmosphäre ausgesetzt und von weißem Bleioxid und anderen Bleiverbindungen überzogen.

   Daher ist die um 1900 noch teilweise lesbare Vorritzung heute praktisch unlesbar. Schräglichtaufnahmen ließen allerdings ahnen, dass sich der mitten im Wort abbrechende Text über die gesamte Fläche erstreckt. Matthias Untermann war mit unseren Methoden zur Lesbarkeit alter Inschriften durch frühere Kooperationen zum Thema Kloster Lorsch und Jüdischer Friedhof in Worms vertraut.

   Er hat uns gebeten, die Tafel berührungsfrei einzuscannen und anschließend mit unserer Oberflächenanalyse wieder besser lesbar zu machen. Unser Nahbereichscanner arbeitet mit strukturiertem Licht. Dabei wird die Oberfläche mit einem sehr feinen Muster aus vertikalen Lichtstreifen abgetastet und die resultierenden Verwerfungen des Streifenmusters auf dem Objekt von zwei hochauflösenden Digitalkameras aus verschiedenen Winkeln aufgezeichnet.

   Die fehlende Tiefeninformation wird durch Triangulierung aus den zweidimensionalen Bildern errechnet, ganz ähnlich wie unser Gehirn aus den unterschiedlichen Bildern unserer beiden Augen Entfernungen schätzen kann. Dieses im Alltag kaum bewusste Phänomen der Parallaxe ist die Grundlage unseres räumlichen Sehens. Der Nahbereichscanner erzielt damit allerdings eine Genauigkeit von bis zu zehn Mikrometern.

   In ungefähr zwanzig solcher vor Ort grob aneinander ausgerichteter Einzelaufnahmen wurde in der Nachbearbeitung ein exaktes 3D-Modell mit ca. 14,4 Millionen farbiger Punkte erstellt. Die Aufnahme mit den Mitteln unseres gut ausgestatteten 3D-Labors ist inzwischen zur Routine geworden und war innerhalb eines einmaligen Besuchs im Historischen Museum und eines weiteren Tags der Nachbearbeitung zu erstellen möglich.

   Unsere eigentliche Aufgabe besteht darin, die lokale Krümmung dieses Oberflächenmodells anschließend zu analysieren. Hierfür werden unsere Algorithmen ständig verbessert und den jeweiligen Anforderungen angepasst. Im konkreten Fall der Bleitafel werden in jedem der 14,4 Millionen Punkte auf der Oberfläche sechzehn ineinander geschachtelte Umgebungen betrachtet, deren maximaler Radius sinnvollerweise so groß wie die erwartete Linienbreite ist. Damit können wir lokale Senken oder Erhebungen sehr spezifisch erfassen, im Merkmalsraum verorten und anschließend Punkte mit ähnlichen Eigenschaften in einer vom Betrachter gewählten Farbskala einfärben.

   In die Entwicklung derartiger Spezialsoftware fließen mehr als sieben Jahre Erfahrung und viele Abschlussarbeiten unserer Studenten und Doktoranden ein. Die eigentliche Berechnung mit der von uns entwickelten Software GigaMesh auf unseren Computern dagegen kann über Nacht geschehen, um dann von erfahrenen Mitarbeitern mit den Anwendern gemeinsam analysiert und visualisiert zu werden.

   Schließlich erhält man eine Darstellung der Bleitafel in hoher Auflösung (bis 800 DPI) und in Falschfarben, so dass man in ausgewählte Bereiche hinein zoomen und die Buchstaben zu Worten ergänzen und mit anderen historischen Textquellen vergleichen kann. An dieser Stelle sind wieder Mittellateiner und Historiker gefragt, die Arbeit weiter zu führen. -Museum-/Bild: Bernhard Bumb-

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